Die Verabredung zwischen Sam und uns ist unterschrieben und besiegelt: Am Tag nach seinem 4.Geburtstag, also in drei Wochen, kommt die Schnullerfee und holt die Schnuller. Bis dahin darf er sie nachts noch behalten. Nur hat Sam jetzt von den Dingern (obwohl abgekocht und desinfiziert) seit Tagen einen fiesen Ausschlag am Mund, der juckt und immer schlimmer wird.
„Sam“, sag ich gestern, nachdem ich wieder Creme auf den Ausschlag geschmiert habe, „ich glaube wir müssen die Schnullerfee früher anrufen. Dein Ausschlag wird immer schlimmer. Das kommt von den Schnullern.“
Der kleine Mann schaut mich ganz ernst an: „Ächt, Mama? Aber wir wasche doch Schnulla immer.“
„Ich weiß, mein Schatz, aber die roten Punkte werden immer mehr und es tut dir ja auch weh. Kannst du es dir mal überlegen, ob sie nicht doch früher kommen kann?“
So ernsthaft habe ich ihn noch nie gesehen. Er atmet tief ein und aus: „Ish überlege, Mama.“ Ich nicke. Nach 3 Minuten sagt er todesmutig: „JETZT!“
Wie jetzt??? Alles in mir ist innerhalb von Sekunden in Alarmbereitschaft! Es ist Sonntagabend 19.15 Uhr und Sam wünscht sich ja einen Waran von der Schnullerfee. Woher soll ich den denn jetzt herbekommen? Aber ich will ja auch den Moment seiner Bereitschaft auf keinen Fall verpassen.
„Äh“, stottere ich, „die Schnullerfee braucht schon ein bisschen Vorlauf. Die kann nicht sofort.“
Ich versuche mich raus zu winden und dabei ganz cool zu wirken, während mein Hirn rotiert: WOHER KRIEGE ICH JETZT EINEN WARAN? Marc ist unterwegs, aber die Geschäfte sind ja sowieso zu. Selbst wenn ich es hinbekommen würde Marc anzurufen ohne, dass Sam es merkt, bringt uns das auch nicht weiter. Während mein Hirn heißt läuft, schlägt Sam vor: „ Mama, ruf die Schnullerfee doch an und frag mal.“ Gute Idee, gute Idee.
Nur wen kann ich um 19. 15 Uhr anrufen, der sofort reagiert wenn ich sage: „Hallo, ist da die Schnullerfee?“ Raffaella geht um die Zeit nicht ans Telefon, bei denen ist das Zu-Bett-gehen-Programm am laufen, so wie bei allen anderen Mütter, die ich kenne. „Hilly!“, denke ich! Die muss ran. Hoffentlich kapiert die, dass es sich hier um einen nationalen Notstand handelt. Ich wähle ihre Nummer, sie geht ran.
Noch bevor sie etwas sagen kann, rufe ich laut in den Hörer: „Ist da die SCHNULLERFEE?“ „Wer?“, ist die verdutzte Antwort auf der anderen Seite. „Ach, super“, fahre ich einfach fort, „Liebe SCHNULLERFEE, Sam möchte gerne mit dir sprechen, weil er seine SCHNULLER abgeben möchte.“
Hilly prustet vor Lachen. Ich habe Schweißausbrüche. Das kann ja wohl nicht wahr sein. Das ist die mieseste Besetzung für eine Schnullerfee, die es je gab. Wenn die mir jetzt den Moment versaut, dann kündige ich ihr die Freundschaft.
„SCHNULLERFEE“, versuche ich sie zur Räson zu bringen, „Sam möchte jetzt mal mit dir sprechen, okay?“ Sie reißt sich etwas zusammen. „Ja“, giggelt sie. Ich gebe mein Handy weiter an Sam. Der nimmt es ganz ehrfürchtig entgegen und sagt: „Hallo Schnullerfee. Ish möshte gerne meine Schnullers dir gebe.“ „Das ist ja toll“, prustet Hilly, die sich der Dramatik der Lage überhaupt nicht bewusst ist. Ich stehe im eigenen Wasser und bete, dass ich mit dieser Scharade nicht auffliege. „Sam“, sage ich und brülle extra laut, dass es Hilly auch hört, „du musst der Schnullerfee noch sagen, was du dir wünschst!“
„Schnullerfee, ish wünshe mir eine Waran!“, sagt er ganz ernst. Ich höre nur wie Hilly wiederholt: „Was? Ein Fahrrad?“
Oh Mann, so taub kann man doch gar nicht sein. „Einen WARAN!!!“, brülle ich. Ich könnte sie erwürgen. So dämlich kann man sich doch gar nicht anstellen. „ Waran. Aha. Was ist denn das?“ Es könnte nicht schlechter laufen.
„Ich erkläre dir das noch mal, SCHNULLERFEE“, sag ich, „Wann kannst du denn kommen? MORGEN??“ Wenigstens den Wink versteht sie. „Ja, vor morgen schaffe ich es nicht.“ „Okay, danke Schnullerfee“, beende ich dieses misslungene Gespräch. Ich schaue Sam an. Der ist so ehrfürchtig und ernst, dass er die miserable Performance seiner Patentante nicht mitbekommen hat. „Mama“, sagt er, „ish galube, ish muss ein bisschen weine, wenn Schnullerfee alle Schnullers nehmt.“ Oh Gott, mein ich hab sofort Tränen in den Augen. „Sam, das ist total okay“, ich nehme ihn in den Arm.
Heute morgen haben wir alle Schnuller in einen Umschlag gesteckt und auf die Treppe gelegt. Sam hat noch ein Bild gemalt, es dann aber doch lieber für sich behalten. Marc rennt gerade durch die Stadt, um einen Waran zu finden und ich bin gespannt, wie die ersten Tage ohne Schnuller werden. Eine neue Ära bricht an. Ich habe einen großen schnullerlosen Sohn. Puuhh. Und Hilly ziehe ich gleich die Ohren lang. Die kriegt zu Weihnachten „Das Handbuch für Patentanten“.
Tags: Geschichten Sam fragt
12 Comments
Lucie, Du bringst mich sogar am Montagmorgen zum Lachen. Und das will was heißen!
Soll ich noch nen Tipp(Du wirst meine Tipps ja jetzt nicht mehr los, da das erste Mal in meinem Leben jemand MEINEM TIPP gefolgt ist. Mh. Kann man einem Tipp folgen?): wir hatten ja vor einigen Wochen die Feier zum 4. Geburtstag. Und bei uns war es die erste Geburtstagsfeier, bei denen die Kinder nicht nach Elternwünschen eingeladen wurden, sondern wirklich nach Wünschen der Tochter und ohne Eltern.
1. Rausgehen ist immer super, egal wie das Wetter ist. Dies sollte aber auf der Einladung kommuniziert werden, weil sonst Kinder ohne Jacke da sind.
2. Die ultraspießige deutsche Regel so viele Kinder einladen, wie das Kind alt wird, ist vielleicht doch nicht so schlecht.
Bis die Tage
Kuss
Hömma, das ist gerade unser Thema! Sam hat nämlcih in 2 Wochen Gebuetstatg udn wird vier… wir arbeiten seit Wochen an der Einladungsliste… nicht leicht. Wir haben von 24 Personen schon auf 8 Kinder ohne Eltern reduzieren können… I ll keep you postet… 🙂 Und danke für Deine Tipps! Schönen Montag!
Guten Morgen Lucie,
es ist einfach nur schön zu lesen.
Auch Großmütter lieben Deine Geschichten
Lieben Gruß
……und Waran gefunden????????
Karin
Bei Amazon!! Ja! Schleich ist ausverkauft, aber es gibt noch einen mit einer giftigen Zunge… ich glaube der wird gut ankommen. 🙂 Jetzt muss er nur noch schnell hier her reisen…
Hatte nicht ein Einkaufsmarkt das ganze verbockt? Mit Sammelbildern? Und der kümmert sich jetzt nicht um die Spätfolgen? Das ist ja ein Ding!
Ich gebe zu, ich habe mit der Suchmaschine auch gleich mal nach Plüsch und Waran geschaut…
Ich drücke dir mit der Post die Daumen. Du Arme, die Wartezeit wird sicher nicht leicht. Ich schicke die mal ne tröstende Umarmung.
DAS ist überhaupt total richtig, liebe Verena! Die verklage ich jetzt mal… oder schlage denen vor, dass man wenigstens die Viecher dann auch bei ihnen kaufen können muss…
Soo witzig geschrieben! Danke für den Lachflash am Abend. Seltsamerweise sind meine Kinder nicht davon aufgewacht…
Na zum Glück! Fürs Aufwecken von Kindern um die Uhrzeit will ich nicht verantwortlich sein.. 🙂 Danke für die Blumen!!!
Herrlich!!!! Ich hab so manches aus diesen Zeiten vergessen und erstmal wieder meinen Blog ausgegraben und in Erinnerungen gestöbert.
Und was ist das Fazit – wir sind wahrscheinlich alle genauso bescheuert, verrückt und wahrscheinlich schizophren angehaucht wenn man Kinder bekommt – sie zeigen einem doch völlig verborgene Seiten und Talente *gg Zumindest dachte ich das als die Kinder noch kleiner waren – da stieg zumindest das Verständnis für so manche die mehr mit sich selber als mit anderen reden – das waren alles schlafgemangelte verzweifelte Seelen die nicht wussten worauf sie sich eingelassen haben oder ad hoc vor Situationen standen die einer mehr als kreativen Lösung bedurfte.
Schön dass wir nicht allein sind – ich lese sehr gern bei dir 😀
LG,
Carla
Liebe Carla, so sieht’s aus! Schön, dass Du hergefunden hast! Lucie
Hey! Ich finde es ja zum Schießen wie du schreibst und immer wieder interessant. Bei uns wird das wohl auch irgendwann anstehen mit der Schnullerfee… Bin mal gespannt…
Himmel, ich musste „Waran“ erst mal googeln. Hast schon ein sehr cooles Kind 😉
Liebste Grüße von Angela
Danke, danke, danke, liebe Angela! Das freut mich aber serh, dass es dir hier gefällt!