So kommt es, wenn mal wieder alles anders läuft als geplant. Ich komme auf den Spielplatz der Kita und will Sam und unseren Wiederholungsübernachtungsgast Carlos abholen. Da sehe ich Sam am Rand des Sandkasten sitzen, seinen Arm halten und weinen. Irgendwie weint er anders. Er schluchzt: „Mama, ish habe mir den Arm gebroked“, und ich berühre seinen Arm und habe das Gefühl, den Bruch spüren zu können.
Aber vielleicht beruhigt sich ja alles gleich wieder? Vielleicht doch nicht gebrochen? Vielleicht nur ein großer Schreck? Wie ist es passiert? „Wir haben auf der Drehscheibe Haie gespielt und jeder wurde mal in der Becken geschubst“. Spitzenspiel.
Mit Carlos und Sam nach Hause. Sam beruhigt sich. Aber zuhause wird klar, wir müssen zum Arzt. Bundeswehrkrankenhaus hat doch so einen guten Ruf und vielleicht muss man da nicht so lange warten. Ich wollte eigentlich meine Emails abarbeiten, während die beiden spielen. Egal. Ich schmiere Brote, packe Proviant und Kinderbücher ein. Das Bundeswehrkrankenhaus ist schön klein, der Warteraum fast leer, aber die nehmen keine Kinder. Scheiße. Weiter ins Virchow.
Hier sitzen noch weitere Spielplatzopfer. Viele verbogene Arme und zerschrammte Füße, Schmerzen und Platzwunden. Wie warten und warten und warten. Carlos ist ein tapferer Begleiter. Er will auch nicht abgeholt werden. Ja, Freunde müssen sich auch in solchen Situationen unterstützen. Wir lesen und langweilen uns. Der Süßigkeitenautomat thront vor uns und ich würde ihn leerkaufen, wenn der nur funktionieren würde. Will nicht jemand mal die Glasscheibe einschmeißen?
Endlich sind wir dran, ja, sieht nach Bruch aus. Muss man aber röntgen. Wieso haben Ärzte keinen Röntgenaugen wie Superman? Erneutes Warten. „Sam, soll ich dir eine Fußmasaje geben“, fragt Carlos, „ich bin der Beste in unserer Familie!“ Ich weiß nicht, wovon er redet, aber Sam scheint ihn zu verstehen und nickt. Und so gibt Carlos seinem Freund eine Fußmassage – ganz ohne Pulp Fiction Komplikationen. Das sind doch noch wahre Männerfreundschaften.
6 Stunden später ist klar: Arm ist gebrochen, nah der Elle. Erst mal gipsen, dann Kontrolle, aber OP muss eventuell trotzdem sein. Sam ist so erschöpft, dass er tief und fest schläft, während ihm der Arm eingegipst wird. Es ist mittlerweile 23 Uhr. „Möchtest du bei dir zuhause schlafen?“, frage ich Carlos. Nein, er will unbedingt bei Sam bleiben. Marc landet aus London und findet uns alle zuhause im Tiefschlaf.
Am nächsten Morgen spielen die Jungs im Wohnzimmer. „Ich habe Sam beigebracht, mit einem Arm zu spielen!“ Müdigkeit an allen Fronten. Das Virchow ruft an: „Wir würden gerne heute morgen nochmal Kontroll-Röntgenaufnahmen machen“. Marc bringt Carlos zur Kita, Sam und ich machen uns wieder auf ins Krankenhaus. Nach 2 Stunden ist unabwendbar: Der Bruch ist so instabil und das abgebrochene Stück ist so weit vom Knochen entfernt, dass es nicht von allein anwachsen kann. Fuck. Fuck. Fuck. Drei Wochen Ruhe nach der OP. Haha! Wie soll das denn bitte gehen? Valium für alle? Im Geist mache ich dicke Striche über die Seiten meines vollen Kalenders. Wie soll ich nur jemals Buch Nummer 2 schreiben?
Der Kinderarzt erklärt uns wirklich ganz ruhig, was alles passieren wird und wie die Drähte eingesetzt werden. Nach 3 – 6 Monaten folgt dann eine zweite OP , dann wird alles wieder entfernt. Sam weint: „Aber meine Mama muss dabei sein.“ Ja, klar. Vier Stunden später haben wir das Gespräch mit dem Narkosearzt hinter uns und die Station gesehen.
Und so werden wir dieses Wochenende auf der Kinderchirurgie verbringen. Nicht wie geplant beim Grillen in der Sonne. „Gehört ein Knochenbruch nicht in eine vollständige Vita?“, tröstet mich Marc. Ja, klar. Meine Vita ist auch mit diversen Brüchen gespickt. Aber die Kür mit den Drähten und den 2 OPs, die hätte ich Sam gerne erspart. Und mir auch.
Tags: alles anders Leben
23 Comments
Oh jeh, alles gute für euch drei. Möge alles besser kommen, als du es dir aktuell ausmalst. Ich drücke die Daumen 🙂
Danke Dir! Alles super gelaufen bisher. Jetzt muß ich ihn nur noch 3 Wochen ruhig halten…
Oh nein der arme Sam. Gute Besserung und eine gute OP. Dir viel Nerven in der Ruhephase. Vielleicht ganz viele Spiele spielen, lesen und Globulis zum Entspannen und Beruhigung.
Danke Dir!
oh weh ihr Armen!
Das gleiche hatten wir letztes Jahr, nur das es bei uns ein Beinbruch war und wir im 5 Stock ohne Aufzug wohnen ;P Ich wünsch dem tapferen Mann ganz viel gute Besserung. Haltet die Ohren steif.
Liebe Grüße,
Kerstin
(http://kleinerlauser.blogspot.de/)
5.Stock?? Oh Gott, Du Arme!! Da bin ich ja mit dem Aermbruch im 2.Stock gut bedient!
Ochje, der arme kleine Knopf! Ja, ein Knochenbruch scheint irgendwie in jede Vita zu gehören. Andere, so wie ich, langen da gerne mal öfter und höchst kompliziert zu. Aber es muß sein, daß alles ordentlich gerichtet wird, damit es wieder vernünftig zusammenwachsen kann – auch wenn mehrere Eingriffe dazu gehören. Der einzige Trost, falls überhaupt einer: da wo’s schon mal gebrochen ist, da bricht es so schnell nicht wieder! Ich wünsche euch allen Nerven wie Drahtseile, statt Valium alle anderen zulässigen Drogenvorstufen. Liebe mitfühlende Grüße.
Danke Dir! OP ist gut überstanden und den Rest schaffen wir jetzt auch noch. In ein paar Wochen sind es gute Anekdoten und Sam kann schon mal seine Piraten – Narben zeigen…
Und ich war bei Blogfamilia & Blomm soooooooooo traurig Dich nicht kennengelernt zu haben. …..
Jaaaaaa, ich hab mich auch echt geärgert, das ich nicht da sein konnte! Aber es wird nicht die letzte Gelegenheit sein!!
Ich hoffe, ihr könnt wenigstens mal raus zum spazieren. Das hat uns vor Langeweile während einer Woche Virchow Kinderklinik das Leben gerettet. Die Stationen sind nicht so dolle, aber wenigstens sind die Schwestern nett. Also euch alles Gute!
Ja, das stimmt, die Schwestern sind sau nett. Und gestern konnten wir mit einer türkischen Großfamilie verstecken auf dem Grünstreifen spielen. Also, es läuft!! 😉
Oh je! Ich hab mir als Kind zwei mal den Arm und ein Mal das Schlüsselbein gebrochen, aber zum Glück jeweils keine OP gebraucht. Zumindest waren die damals in den 80ern nicht der Meinung, dass eine nötig ist. 😉
Das läuft bestimmt alles glatt und ist gar nicht so schlimm und wie du schon sagtest, das muss man als Kind mal gemacht haben. Aber ein Mal reicht. 😉 Gute Besserung und schnelle Genesung!
Ja, ich habe auch so eine Bruchvita… darum darf ich mich auch nicht so richtig laut beschweren… ich verstehe jetzt nur besser, warum meine Mutter immer so geflucht hat…
Ohweh, der arme Schatz- aber so tapfer dabei
Ja! Danke Dir!
Gute Besserung, Sam. Du schaffst das. Und dir, liebe Lucie, wünsche ich viel Geduld und starke Nerven und trotz allem einen schönen Muttertag!
Ganz ganz lieben Dank!
Alles Liebe für Sam. Er scheint ja so ein echter „wenn dann richtig“-Typ zu sein. Wahrscheinlich ist es für euch als Eltern alles viel schlimmer als für ihn. Zum Glück hört es sich so an, als ob ihr in guten Händen seid.
Liebste Grüße
Da hast du total recht! Mit allem! Lieben Gruß!
Auch hier noch mal alles, alles Gute!
Da hat der kleine Haifiach ja direkt das volle Programm erwischt :/ Armes, tapferes Kerlchen.
Ich wünsche Euch alles Gute und Dir starke Nerven für die nächsten Wochen.
Liebe Grüße
Katharina
Danke Dir! Bisher schlägt sich der kleine Hai sehr tapfer! Und meine Nerven auch…
Und wenn auch ein bisschen spät, aber ich möchte (natürlich auch neben den besten Wünschen an Sam! Der arme Kerl.) auch den kleinen Carlos mal hochleben lassen. So einen tollen Freund findet man nicht oft!
Sehr herzerwärmend zu lesen, was du so schönes schreibst.
Liebe Grüße!