Seit wir in London wohnen haben wir ständig Besuch. Und das bedeutet für Sam, er bekommt ständig Mitbringsel. Das ist mittlerweile so normal wie das Zähneputzen und ich gönne es ihm vom Herzen. Nur, wie macht man einem Vierjährigen klar, dass es nicht die nächsten Jahre so weiter gehen wird? Dass es nicht zum Alltag gehört, jede Woche eine Darth Vader Figur zu bekommen oder Star Wars Lego? Und dass Geschenke eigentlich etwas Besonderes sind?
Die kleinen Legoteilchen fliegen durch die Wohnung und abgesehen davon, dass Marc und ich uns mittlerweile wie Fakire fühlen, wenn wir morgens unseren Weg in die Küche bahnen, Lego ist ja auch arschteuer. Ja, jetzt höre ich mich an wie meine Oma. Ich weiß. Aber wie kriege ich das hin, dass Sam in diesem ganzen Überfluss lernt, Dinge wertzuschätzen, Sehnsüchte nach etwas zu entwickeln und sich dann zu freuen, wenn sie in Erfüllung gehen?
Mit 8 hatte ich mich in eine Puppe verliebt. Sie war ein Traum. Sie konnte mit den Augen klimpern. Sie trug ein wunderschönes weißes Blüschen mit Rüschen und besaß einen hellblauen Schlafsack. Für kalte Tage gab es einen hellrosa Schneeanzug dazu. Sie kostete 50 Mark. Wochenlang lieaf ich zu dem Laden und besuchte ‚meine Puppe’. In Gedanken spielte ich schon mit ihr. Ich baute ihr in meinem Zimmer ein Bett und richtete eine kleine Spielecke für sie ein. Ich zählte mein Taschengeld dreißig Mal, kam aber leider nur auf DM 13,50. Ich bettelte meine Mutter an: „Ich brauche NIE wieder ein Geschenk! Das ist Weihnachten UND Geburtstag zusammen!“ Und nach Wochen des Anhimmelns und Bettelns bekam ich sie endlich zum Geburtstag geschenkt. Und das war wirklich wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Ich habe sie gehegt und gepflegt. Dieses Gefühl, als mein sehnlichster Wunsch in Erfüllung ging, werde ich nicht vergessen. Ich habe die Puppe heute noch. Ich würde mir so wünschen, dass auch Sam dieses Gefühl erleben kann. Aber wie ist das zu schaffen?
„Mama, der Easterbunny soll mir Batman Lego bringen“, sagt Sam vor ein paar Tagen. „Der Easterbunny bringt Ostereier, keine Geschenke, Sam“, sage ich.
Sam schaut mich irritiert an: „Aber why? Santa Claus bringt doch auch presents.“
„Ja“, versuche ich zu erklären, „aber das ist ja was anderes. An Weihnachten bekommt man Geschenke, aber an Ostern bringt der Easterbunny leckere Schokoeier und versteckt sie in Gebüschen.“ Sams Blick ist unverändert irritiert.
„Und ehrlich gesagt, kann er auch nicht mehr tragen als die Ostereier. Für so kleine Hasen ist eine Legobox einfach zu schwer“, versuche ich mich weiter aus der Diskussion zu winden.
„Aber die Easterbunny kann doch die Geshenke in eine ganz kleine Box tun und sich auf die Rücke binde“, schlägt Sam vor.
Ich weiß nicht weiter. Ich will ja nicht als die totale Spaßbremse da stehen, aber dieser Konsumrausch, in dem sich mein Sohn befindet, gefällt mir gar nicht.
Heute ist meine Mutter wieder nach Hause gereist und vorher hatte sie mich gefragt: „Ist es okay, wenn ich mit Sam noch einmal in den Spielzeugladen gehe und er sich etwas Kleines aussucht?“
„JAAAAAA“, brüllte Sam, der seine Ohren mal wieder überall hat, „Batman LEGO!! Dann brauch die easterbunny auch nish so shwer trage. Der kann mir dann ja nur ein bisschen Starwars lego mitbringe.“ Sehr mitfühlend, mein Sohn.
Und schon wieder komme ich mir vor wie der Partycrasher.
„Sam“, sage ich und spüre meine eigene Unsicherheit als würde ich auf Eiern tanzen, „du hast in den letzten Wochen soviel Lego bekommen und das fliegt hier gerade nur durch die Wohnung. Das geht so nicht.“
Er nickt brav. Wie er es immer tut, wenn meine Sätze rechts rein und links sofort wieder rausgehen.
Nach längerem Überlegen aber schlägt er vor: „Ish kann ja meine money mit dazu tun.“ Er sammelt seit Wochen Münzen von uns und hortet sie in einer kleinen Box.
„Okay“, sage ich, „aber der Easterbunny bringt dann nur eine Box, in der du die Legos aufbewahren kannst. Und da räumst du sie dann jeden Abend ein.“
Er nickt. Ich mache mir keine Illusionen. So scharf wie der auf das Batman Lego ist, hätte er auch genickt, wenn ich gesagt hätte: „Dafür gibt es nie wieder Gummibärchen“.
Die beiden machen sich auf den Weg und ich bleibe etwas ratlos zurück.
Als ich meiner Freundin Raffaella, die ja meine Erziehungsexpertin ist davon erzähle, sagt sie: „Tja, Lucie, da hilft leider nur Verzicht und alle Besucher filzen, bevor sie in die Wohnung kommen.
Scheiße, das klingt so furchtbar protestantisch und spaßfrei. „Aber du kannst das Ganze auch so betrachten, Lucie, er erlebt, dass Schenken und Geschenke nicht an Bedingungen geknüpft sind und Geben Freude bereitet. Außerdem vergiss bitte nicht, er ist erst vier“, versucht mich Raffaella zu beruhigen Ja, stimmt. Bringt mich aber leider auch nicht weiter.
Wie macht ihr das? Habt ihr einen Rat?
Tags: Erziehung
5 Comments
Leider Nein. Ganz schlimm sind bei uns die schwiegereltern, die nie fragen sondern immer irgendwas kaufen. Zu Ostern kam ein Paket mit einem skateboard im flecktarn-style. Für eine fünfjährige.
Ist schon extrem schwierig. Insbesondere deswegen, weil auch andere Zeiten sind. Ich habe auch Woche für Woche meine 5 DM Taschengeld für mein wunsch Fahrrad für 329 DM GESPART. Gibt es heute nicht mehr. Trotzdem sehe ich das wie Du, es ist wichtig den Wert zu kennen und zu schätzen und nicht nur den Preis wissen… Eine wichtige Aufgabe gilt es hier zu bewältigen. Lg
Hi Lucy,
Ich lese schon so lange begeistert deinen Blog .. Habe 2 kleine Mädchen (2u 4 Jahre) und mir geht’s ähnlich. Gerade für die Girls gibt es so viele und tolle Sachen zu kaufen und es macht ja auch so Spaß zu beschenken. Aber ich bin gerade dabei zu lernen auch mal nein zu sagen. In der Stadt mal einfach nichts zu kaufen , wenn es am Tag zuvor schon was für die Kinder gegeben hat. Ich weiß es macht dann keinen Spaß aber ich denk mir dann halt es muss jetzt so sein. Aber mir fällts auch echt schwer..
Meine Befürchtung sie gewöhnen sich an die vielen Dinge und ständig was zu bekommen daran ist dann doch zu groß ..
LG aus dem verregneten Deutschland
Birgit
Ich bin da mittlerweile sehr entspannt, denn mein Ältester ist genauso groß geworden. Die Omas haben alles gekauft, wenn das Kind nur piep gesagt hat, was gab es für Streit und Stress zwischen uns, weil ich das einfach nicht wollte.
Mittlerweile ist er 17 und ich muss sagen, er ist von meinen Dreien der bescheidenste!
Den ganzen Ärger hätte ich mir damals sparen können, es hatte NULL Auswirkungen auf sein späteres Konsumverhalten.
ganz liebe Grüße und schöne Ostern
Simone
Hallo Lucie
Bei uns gibt es nur zu besonderen Anlässen Geschenke , Geburtstag, Weihnachten usw… Auch wenn der kleine (5) mal quengelt halten sich alle daran. Unsere Große geht schon zur Schule, wenn sie zwischendurch etwas besonderes haben möchte, spart sie ihr Taschengeld. So lernt sie den Wert zu schätzen und die Vorfreude ist auch groß.
L G Simone